Eine kurze Liebesgeschichte an das Meer und seine Wellen 

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An dich mein Meer

 

 

 

 

„Alles geht, Alles kommt zurück: ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins. Alles bricht, Alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des Seins. Alles scheidet, Alles grüsst sich wieder; ewig bleibt sich treu der Ring des Seins. In jedem Nu beginnt das Sein; um jedes Hier rollt sich die Kugel Dort. Die Mitte ist überall. Krumm ist der Pfad der Ewigkeit.“

Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 463.
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Wenn wir über das Meer nachdenken, gibt es viele Gründe der Faszination. Nicht allein im Bereich der Literatur oder des Filmes bietet das Meer eine Faszination an, die länder – und kulturübergreifend immer wieder neu beobachtet und ersucht worden ist. Das Meer fasziniert in seiner Unendlichkeit. Es symbolisiert das Abenteuer, das faszinierende Abenteuer, aber auch die Gefahr, das Böse oder die Abgründe menschlicher Zivilisation. Was können wir von dir lernen? Was zeigst du uns mit deinen Wellen, die unendlich wiederholend bleiben?

Als Schwimmerin hat mir das Wasser einen Zugang gegeben, der in Momenten der Unruhe für einen kurzen Augenblick entfernt und das drehende Rad ruhen lässt. Die Unendlichkeit, die Freiheit wurden symbolhaft durch die Faszination des Meeres bekräftigt und mit Amsterdam bestärkt. Als Philosophin reihe ich mich ein, in die Geschichten der Unendlichkeit, in das Denken über Perspektiven, wie wir als Menschen damit umgehen und wohin sie uns tragen werden. Als Poetin will ich die Wellen erkunden, will mir meine eigenen Wellen erbauen und beginnen darin zu schwimmen oder mit ihnen zu surfen.

Die folgenden kurzen Zeilen, ein Text über die Liebe zum Meer –  Ein Liebesbrief an das Meer und seine Wellen -sozusagen. 

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Für Philosophie sind vor allem die „scheinbare“ Unendlichkeit durch das Meer und die Wiederkehr, symbolisiert durch die Welle, interessant. Philosophie ist also ein Denken über etwas, das sich unendlich wiederholt. Die zu beantwortenden Fragen wiederholen sich in ihrer Geschichte. Dabei werden sie in neue Kontexte gesetzt, mit neuen Augen und neuen Perspektiven betrachtet, beobachtet und versucht beantwortet zu werden. Während sich also die Antworten verändern, bleiben die großen philosophischen Fragen. Was ist Liebe? Was ist ein gutes und ein gelungenes Leben? Wie können wir miteinander gerecht leben? Was ist eigentlich die Idee von Freundschaft?

Eine Wiederholung des Immer während Gleichen. 

So werde auch ich in diesen folgenden Zeilen darauf eingehen, warum gerade Wellen für ein menschliches Leben interessant sein können. Und wie immer, was wir von ihnen in unserem Leben lernen und erfahren können, um weiter zu forschen, weiter zu leben und vor allem um weiter zu suchen. 

Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche reiste an Orte, die sich auf das Meer beziehen. Er reiste nach Genua, nach Messina, um dort seine Fröhliche Wissenschaft zu verfassen, um dort von der Welle zu berichten, die immer wieder kehrt und nicht aufhört sich zu verändern, niemals statisch wird oder bleibt. Nietzsche beschreibt dies in seiner Philosophie mit einer Wiederkehr des immer während Gleichen oder wie er es selbst beschreibt mit einer „ewigen Wiederkunft.“  

Die Wiederkehr wird eines seiner Grundmotive. Immer wieder will er sich erklären, will er einen Weg finden, zu untersuchen was dies überhaupt bedeutet, wenn sich alles ständig wiederholen wird. Für Nietzsche selbst zeigt der Weg einer wissenschaftlichen Philosophie, die versucht ist Antworten zu finden und statisch zu bleiben, einen Weg, der nicht dazu führen kann, dass wir die Wellen sehen und verstehen können.  Während die Philosophie also vor dem Surfbrett stehen bleiben wird, weil sie zunächst alle Umstände beantworten will, ohne selbst eine Antwort zu begründen, wird sich die Lyrik auf die Wellen stürzen und das Surfbrett selbst erbauen. Lyriker*innen und Künstlercharakter gehen einen Weg der Offenheit. Sie wollen verstehen, was es bedeutet mutig zu sein.

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Auch der antike Vorsokratiker Heraklit schreibt darüber. Pantha rhei. Alles fließt. 

So berichtet Platon über den Vorsokratiker die Zeilen: „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.“ (Altgriechisch: Pánta chorei kaì oudèn ménei) 

Diese Idee, vorwiegend als sogenannte Flusslehre bezeichnet, wird für Nietzsche wichtig werden. Sie kann aber auch auf die Wellen im Meer übertragen werden. Denn gerade dort wird nichts so bleiben, wie es ist. Dort wird sich ständig alles neu bewegen und verändern. 

Von den perspektivischen Wellen  

Für mich symbolisiert die Welle vor allem Perspektiven. Perspektiven symbolisieren für mich Mut und Zuversicht, aber auch Angst und Erschütterung auf das, was kommt und kommen wird. Sie symbolisieren für mich Freiheit und die Chance 

immer wieder zu kehren 
von vorn zu beginnen.
Ohne Angst
Kein Belehren 
kein Bekehren
Nur die Wellen und ich. 
Und die Unendlichkeit 
Von Allem was uns umgibt.

Und ab und an 
Besteht ein Universum
In den eigenen Händen. 
Wenn wir sehen 
und spüren wollen. 

Als bildliche Vorstellung ist wohl das Bild des Surfers am nächsten. Im Surfen müssen wir uns zu jedem Zeitpunkt immer wieder neu entdecken und neu definieren, von vorne beginnen. Perspektiven einzunehmen, ist Teil eines lebensnotwendigen Alltags für uns. Natürlich vergessen wir das oft oder wir wollen uns nicht daran erinnern. Denn Perspektiven einzunehmen ist schwer und anstrengend.

In einer Zeit, die geprägt ist von Perspektiven, die sich nicht miteinander verbinden wollen oder können, ist es umso wichtiger sich zu fragen und auch darüber nachzudenken, was überhaupt Perspektiven sind. Denn sie werden oft und vielleicht zu oft mit Haltungen oder Meinungen verwechselt. Während Meinungen und Haltungen bereits geformt sind und Ideen oder bestimmte Vorstellungen von etwas darstellen, sind Perspektiven noch offen. Sie geben uns die Möglichkeit unsere Meinungen und Haltungen zu verändern und immer wieder zu hinterfragen. Mit Perspektiven erhalten wir neue Augen und können andere Wellen sehen und vielleicht irgendwann verstehen oder zumindest darin das Surfen lernen.

Perspektiven einzunehmen ist schwer, denn wir müssen immer wieder an unsere eigenen Grenzen stoßen. Wir müssen unsere Räume aufgeben. Dabei spielt es keine Rolle was genau diese Räume sind. Sie können mental sein, ganz konkret mit der Erziehung, mit unserer Sozialisation angebunden sein. Sie können von unseren Erfahrungen geprägt worden sein, die es uns in Situationen erschweren neue Perspektiven, andere Erwartungen einzunehmen, weil wir bereits gebunden, beziehungsweise verbunden sind. 

Doch mehr Perspektiven können wir nur lernen, indem wir miteinander sprechen und vor allem indem wir lernen, dass unsere Perspektiven, eben auch nur unsere Perspektiven sind und andere Menschen andere Perspektiven in sich tragen. Wir können eben nicht mit anderen Augen sehen oder mit anderen Händen schwimmen.

Aber vielleicht können wir durch den Umgang mit Wellen die Unendlichkeit dessen begreifen. Vielleicht sind es also die Perspektiven, die wir im Alltag so sehr brauchen, die wir durch das betrachten, das ineinander Übergehen, das Schwimmen oder das Surfen erlernen können. Dabei kann das Meer ein bezauberndes Mittel sein, diese Perspektiven noch deutlicher vor uns zu sehen. Vielleicht ist es aber auch der Reiz des Unbekannten und vielleicht hilft ein Gedicht dazu, Neues zu denken, inspiriert zu werden.

Abgetaucht für einen schwammigen Moment 

bewegst du mich in die Unendlichkeit

Des wirbelnd geräuscharmen Nichts. 

Während alles Außen schweigend rennt,

Dank ich schweigend dir dafür.

 

Panta Rhei: Alles fließt

  • Πάντα χωρεῖ καὶ οὐδὲν μένει 
  • Pánta chorei kaì oudèn ménei
  • Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.
  • Flusslehre

Dynamis

  • griechisch δύναμις, dynamis
  • lateinisch potentia
  • Naturphilosophie, Aristoteles

Perspektivismus

  • F. Nietzsche; L. Wittgenstein
  • Erkenntnis, Denken und Erfahrung ist abhängig von ihrer Individualität
  • Phänomenologie; Wahrnehmung

Friedrich Nietzsche (1844-1900)

Deutscher Philosoph, Dichter und Schriftsteller

Begründer des Nihilismus; Theorie des Perspektivismus; ewige Wiederkunft;

Werke

  • Also Sprach Zarathustra
  • Die Fröhliche Wissenschaft
  • Jenseits von Gut und Böse

Heraklit ( 520 v. Chr.; † um 460 v. Chr.)

griechischer Philosoph, Denker aus Ephesos

Vorsokratiker; Theorie des ständigen Werdens (Panta rhei); Naturphilosoph

Werke/ Ideen

  • Alles fließt und die Idee des Werdens (Im Gegensatz zur Seinslehre von Plato)
  • Über die Natur (Περὶ φύσεως – Perì phýseōs)

Zu empfehlen:

Gunter Scholz. Philosophie des Meeres. Hamburg: Mare Verlag, 2016.

Günther Wessel: Gunter Scholz. Philosophie des Meeres“ Das große Wasser und wir. (05.01.2017) In: Deutschlandfunkkultur. Archiv.

Dimitri Ladischensky, Mathias Bothor. „Surfen I. Von Wellen und Wegen. Mare, Nr. 62 (2007)

Safranski, Rüdiger. Nietzsche. Biographie seines Denkens. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2003.

Allgemeine philosophische Informationen

Schwabe Online. Historisches Wörterbuch der Philosophie

 

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