Milan Kundera und die ewige Wiederkehr des Gleichen oder über die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Eine Buchempfehlung. 

Wir müssen ein glückliches Leben führen.Wir müssen dankbar für das sein, was wir erhalten in diesem Leben. Dankbar sogar für den Schmerz, denn er führt uns weiter. 

Könnte jemand sehen, was diese Welt mir antut? 
Könnte jemand hören, wo sich meine Schreie verlieren?
Könnte jemand fühlen, meine Angst die Fremde zu testen? 

Ich weiß, egal wohin ich rennen werd´,
wohin ich fliehen werd´,
ich werde immer dasselbe Gesicht sehen.
Ich weiß, egal wohin ich rennen werd´,
wohin, ich fliehen werd´,
ich werde immer dasselbe Gesicht bleiben, 
mit Angst die Leichtigkeit zu testen. 

Und ich weiß, egal wo ich bleiben werd´,
ich werd´ dich immer sehen,
Ich werd´ immer für dich kämpfen und 
für dich und deine Schwere kämpfen,
die du mir auferzwungen hattest. 

Milan Kundera ermöglicht eine neue Sicht. Er zeigt einen Weg der Vereinbarkeit. Mit ihm scheint es möglich, das Schwere im Leben, die Melancholie und das Leichte im Leben, die Fröhlichkeit zu bewahren. Er zeigt, dass eine Entscheidung, ein entweder oder nicht notwendig ist. Alles ist irgendwie miteinander verbunden und umgeben von allem. Alles wird relativ. Vielleicht liegt genau darin die Schönheit. Weil wir uns über das Kleine im Leben freuen können, über den Café in Altona, das Eichhörnchen am Morgen oder die Begrüßung des Nachbarn oder über die Wellen in St. Pauli, wenn wir unsere Augen und unsere Ohren nicht verloren haben. Das macht das Leben einzigartig in seiner Wandelbarkeit. Alles fließt. Entscheidungen werden leichter, nicht unwichtig. Sie ändern sich und alles wiederholt sich zugleich auf irgendeine Art und Weise.

Hintergrund: 

Das Buch Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins wird zunächst im französischen 1984 veröffentlicht. Es handelt vom Liebespaar Tomaz (Chirurg) und Terezea (Serviererin) die sich im besetzten Prag verlieben und beginnen ihr Leben miteinander zu teilen.

Prager Frühling : 1968 // Versuch der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei ein Liberalisierungs-und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen. 

Warschauer Pakt: 1955-1991: Militärischer Beistandspakt des Ostblocks unter der Führung der Sowjetunion.

Während des Warschauer Paktes werden beide nach Genf fliehen. Tereza reist allerdings später wieder in die Tschechoslowakei. Sie kommt mit dem freien Leben von Tomaz und seinen Affären nicht zu recht, empfindet sich selbst als schwach. Tomaz folgt ihr, seiner großen Liebe und beginnt als Maler zu arbeiten, weil er mit einem veröffentlichtem Artikel gegen das kommunistische Regime nicht mehr als Arzt praktizieren kann. Er beginnt wieder, weil er mehr Zeit hat, sein Leben mit neuen Affären zu füllen. Tereza kann seine Art zu lieben für sich nicht finden und verliert sich erneut. Er findet Leichtigkeit. Tereza, obwohl sie es war, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehrte, findet keine Leichtigkeit. Sie ist wieder verloren, wieder auf der Suche nach Halt.

1988 wird das Buch von Philip Kaufmann mit der Besetzung von Juliette Binoche, Daniel Day Lewis und Lena Olin in den Hauptrollen verfilmt. Milan Kundera beginnt in seiner Einleitung mit einer philosophischen Hinführung.  Dabei gibt es zwei zentrale philosophische Momente, die sich im gesamten Buch immer wieder zeigen: 

  1. Die Idee der ewigen Wiederkehr.
  2. Die Verbindung von Leichtigkeit und Schwere.

Die Idee der ewigen Wiederkehr 

Photo by Pixabay on Pexels.com

Kundera erzählt von der ewigen Wiederkehr, die so stark ist, dass wir uns manchmal fragen müssen, wozu. Wozu handeln oder trauern, wozu Wertungen, wenn sich alles irgendwann wiederholen wird. 

Wenn sich jede Sekunde unseres Lebens unendliche Male wiederholt, sind wir an die Ewigkeit genagelt wie Jesus Christus ans Kreuz. Eine schreckliche Vorstellung. In der Welt der Ewigen Wiederkehr lastet auf jeder Geste die Schwere einer unerträglichen Verantwortung. Aus diesem Grund hat Nietzsche den Gedanken der Ewigen Wiederkehr „das schwerste Gewicht“ genannt. Wenn die Ewige Wiederkehr das schwerste Gewicht ist, kann unser Leben vor diesem Hintergrund in seiner ganzen herrlichen Leichtheit erscheinen.

Milan Kundera, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Fischer Verlage, 2013, S. 8.

Gleichzeitig bedeutet das eine unglaubliche Verantwortung für das, was wir tun, wofür wir uns im Leben entscheiden. Denn wenn sich alles wiederholt, müssen wir sehr vorsichtig sein mit dem, was wir wählen, mit dem, wie wir handeln.

Betachten wir kurz die Idee der ewigen Wiederkehr oder wie sie auch oft genannt wird, die ewige Wiederkunft. Den Begriff der Ewigen Wiederkunft prägt vor allem der deusche Philosoph Friedrich Nietzsche in seinen Büchern Ecce Homo und Also sprach Zarathustra.  Idee der ewigen Wiederkunft ist die Idee einer Lebensbejahung. Wenn sich alles wiederholt, ist die größte Aufgabe für uns Menschen dem Leben bejahend entgegen zu treten und zwar mit allem, was uns umgibt. Das bedeutet, um dem Leben wirklich entgegen zu treten, müssen wir uns bei jeder Handlung vorstellen, dass diese unendlich oft wiederholt werden könnte. 

„Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins.

Alles bricht, Alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des Seins. Alles scheidet, Alles grüsst sich wieder; ewig bleibt sich treu der Ring des Seins.

In jedem Nu beginnt das Sein; um jedes Hier rollt sich die Kugel Dort. Die Mitte ist überall. Krumm ist der Pfad der Ewigkeit.“

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Nietzsche bezieht sich besonders auf Heraklit und dessen Idee des Panta Rhei. Alles fließt, fließt und fließt und fließt. Es wirkt schön dieser Gedanke. Der ewigen Wiederkunft des immer während Gleichen. Es gibt Hoffnung auf eine Wiederholung, eine zweite Chance. Aber vergessen wir dabei die Wiederholung des Schlechten, des Abartigen? Wenn sich alles wiederholt, dann auch, dass was wir niemals wieder sehen, hören oder fühlen wollen. Verliert es damit an Wertigkeit oder an Abartigkeiten, weil es wieder kommen wird, weil es wieder zerstören wird und damit nicht einzigartig schlecht ist? 

Sagen wir also, dass der Gedanke der Ewigen Wiederkehr eine Perspektive bezeichnet, aus der die Dinge uns anders erscheinen, als wir sie kennen: sie erscheinen ohne den mildernden Umstand ihrer Vergänglichkeit. Dieser mildernde Umstand hindert uns nämlich daran, ein Urteil zu fällen. Wie kann man etwas verurteilen, das vergänglich ist?

Milan Kundera, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Fischer Verlage, 2013, S. 8.

Die Verbindung von Leichtigkeit und Schwere

Und er erzählt von der Unerträglichkeit der Leichtigkeit und der Unerträglichkeit der Schwere, die alles hinterfragen wird und immer auf der Suche nach mehr sein wird, nie ankommen kann. 

Photo by Gelatin on Pexels.com

Sicher ist nur eines: der Gegensatz von leicht und schwer ist der geheimnisvollste und vieldeutigste aller Gegensätze.

Ebd., S. 10.

Die Symbole für diese Gegensätze spielen Tereza und Tomaz. Tomaz lebt die Leichtigkeit im Leben. Er ist Pragmat. Selbstsicher und leicht. Er hat keine Probleme als Arzt wieder zurück im besetzten Prag als Fensterputzer zu arbeiten. Er macht für sich das „beste“ daraus. Tereza hingegen lebt sich schwer. Sie kann das Geld nicht finden und lehnt es dennoch ab, als Fotographin in Genf Aktfotos oder Gartenfotos zu produzieren, die ihr Geld einbringen könnten. Warum? Weil sie nicht hinter dieser Idee steht. Sie will immer weiter ziehen, alles zurücklassen und jedes mal von vorne beginnen, auf der Suche nach einer Leichtigkeit, auf der Suche nach etwas, dass sie endlich glücklich zu machen scheint. Tomaz hingegen sucht nicht. Ihm ist es erschwert Empathie oder wirkliche Fürsorge zu erfahren. Das Wiederrum fasziniert ihn an Tereza, die voller Empathie ist. Die Unerträglichkeit in der Leichtigkeit des Seins – damit kämpft Teresa. Sie kann nicht so einfach alles ertragen und annehmen wie Tomaz. Sie sieht Tiefe und Schwere. 

Es ist unmöglich zu überprüfen, welche Entscheidung die richtige ist, weil es keine Vergleiche gibt. Man erlebt alles unmittelbar, zum ersten Mal und ohne Vorbereitung. Wie ein Schauspieler, der auf die Bühne kommt, ohne vorher je geprobt zu haben. Was aber kann das Leben wert sein, wenn die erste Probe für das Leben schon das Leben selber ist? Aus diesem Grunde gleicht das Leben immer einer Skizze.

Milan Kundera, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Fischer Verlage, 2013, S. 12.

Die Schönheit dieses Buches liegt nun in der Verbindung dieser Gegensätze, die sich symbolisch in einer Liebesbeziehung von Tereza und Tomaz präsentieren. Das Buch hat mir gezeigt, dass es weder nur um das Positive noch nur um um das scheinbar notwendige Schwere im Leben geht. Wie Tomaz und Tereza zeigen, können wir uns nur begrenzt aktiv für oder gegen diesen Weg entscheiden. Wir werden mit bestimmten Neigungen geboren, die wir annehmen können oder an ihnen arbeiten können. Was wir allerdings tun können ist, mit Hinnblick auf die ewige Wiederkehr, uns aktiv für das Leben zu entscheiden und dem Leben in seiner Wiederholung bejahend entgegentreten und dabei jeden Moment zumindest versuchen so zu leben, als würden wir ihn unzählige Male wiederholen.

Es ist unmöglich zu überprüfen, welche Entscheidung die richtige ist, weil es keine Vergleiche gibt. Man erlebt alles unmittelbar, zum ersten Mal und ohne Vorbereitung. Wie ein Schauspieler, der auf die Bühne kommt, ohne vorher je geprobt zu haben. Was aber kann das Leben wert sein, wenn die erste Probe für das Leben schon das Leben selber ist? Aus diesem Grunde gleicht das Leben immer einer Skizze.

Milan Kundera, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, S. 12f.

Diese Skizze wird voll von Tiefe und Höhe, von Schwere und Leichtigkeit und von dem immer während Gleichen. 

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