Eine kurze philosophische Einfühurng zum Thema Wahrheit
Wenn wir von Wahrheit sprechen, dann ist es doch eindeutig, worüber wir sprechen. Wir wollen das Richtige verstehen, das was ist. Diese Worte hörte ich oft als Philosophielehrerin bei meinen Schülern. Denn warum sollte man eine ganze Unterrichtsreihe planen über ein Wort, das doch selbsterklärend ist.
Nun ich glaube, dass die Untersuchung eines Wortes Wahrheit gerade in dieser Zeit, die geprägt ist von Wahrheiten, sehr wertvoll sein kann. Bevor wir von meiner oder von deiner Wahrheit sprechen, müssen wir untersuchen, auf welche Form der Wahrheitstheorie wir uns denn überhaupt einigen möchten. Betrachten wir also welche Formen von Wahrheit vorhanden sind.
Korrespondenztheorie
In der Philosophie der Abendlandes ist die älteste Idee über Wahrheit die sogenannte Korrespondenztheorie. Wir sehen und beobachten irgendetwas, teilen das mit anderen Menschen und gehen dann davon aus, dass das wohl die Wahrheit sein muss. Wir schließen also von einem Einzelfall auf die Allgemeinheit und bestimmen damit die Wahrheit. Der Philosoph Aristoteles entwickelte dabei sogar eine Methode, nämlich die der Induktion.

Büste von Aristoteles
Aristoteles-Porträt in moderner Büste, römische Kopie nach einer Skulptur des Bildhauers Lysipp . Rom
Lisa geht bei rot über die Straße und wird von einem Auto überfahren.
Daraus folgern wir nun: Immer wenn wir bei rot über die Straße gehen, werden wir überfahren.

Das Problem ist offensichtlich: Nur weil etwas einmal passiert und wir es beobachtet haben, muss das noch lange nicht als allgemeine Regel gelten. Wir können dabei doch nur von einer singulären Wahrheit, nicht aber von einer übergreifenden Wahrheit ausgehen. Wie würden wir nun mit dieser Wahrheit in Bezug auf unser Medienkonsumverhalten eingehen? Ist es nicht dort genauso? Wir sehen etwas, fühlen uns bestätigt und empfinden das dann als die Wahrheit? Das kann nun im politischen Sinne passen, aber auch und gerade im Bereich der Social Media in gesellschaftlichen Formen stattfinden. Wir sehen ein Model, das glücklich verheiratet ist und schließen daraus automatisch, dass es immer glücklich verheiratet sein muss oder aber und das ist noch gravierender, dass alle Models glücklich verheiratet sein müssen. Das ist dann die Wahrheit. Aristoteles ist also, nehmen wir Bezug zu ihm, gar nicht mehr soweit entfernt, wie wir vermutet hätten.
Kohärenztheorie
Sie ist das Gegenprinzip der Korrespondentheorie. Es ist nicht eine Übereinstimmung zwischen Wahrheit und Wirklichkeit, sondern vielmehr das Zusammenpassen zweier Ansichten. Je mehr Menschen davon ausgehen, desto wahrer wird die Wahrheit. Die Aussagen werden also nicht mehr mit der Welt sondern mit anderen Aussagen verglichen.
Wir sehen etwas, tauschen uns aus und wenn wir im Gespräch darüber einig werden, bestimmen wir dasjenige als Wahrheit. Der bedeutenste abendländiche Philosoph dieser Theorie war der Gelehrte Thomas von Aquin – Ein Philosoph im Mittelalter, einer grundlegend anderen Welt als der heute sichtbaren und gläsernen Welt. Thomas wollte Aristoteles nicht aufgeben und gleichzeitig eine neue durchdachtere Theorie über das Thema Wahrheit entwickeln.

Thomas von Aquin
Von Carlo Crivelli
Heißt also auch: Jeder der alleine ist, kennt die Wahrheit nicht. Wenn ich also einen Baum in einem Wald sehe und niemandem mitteilen kann, ob dieser Baum wirklich existiert, dann existiert er nicht? Schwierig, denn es muss doch auch eine unabhängige Wahrheit geben. Auch hier wird es problematisch, beziehen wir uns auf Social Media. Je mehr Menschen also davon ausgehen, dass Avil Lavigne wirklich tot ist und eine Doppelagentin weiterlebt, desto sicherer können wir von Wahrheit sprechen. Sie als Person ist dabei genauso relevant, wie ich, die Avil Lavigne noch nie in ihrem Leben begegnet ist.
Es gibt keine Wahrheit – Nihilismus als Vorreiter der Postmoderne
Der deutsche Dichter und Philosoph Friedrich Nietzsche war bekannt für seine radikalen Ansätze. Er verfasst sogar ein ganzes Werk mit dem Titel: „Über Wahrheit und Lüge im außenmoralischen Sinn.“
Darin kritisiert er vor allem den Wahrheits- und Absolutheitsanspruch der damaligen Wissenschaft.
Nietzsche setzt in seiner Philosophie den Wahrheitsbegriff mit dem Erkenntnisbegriff gleich und bezieht sich dabei auf die Philosophietradition nach Platon.
Nietzsche war davon überzeugt, dass es gar keine Wahrheit geben könne. Warum? Alle Menschen haben ihre eigene Wahrheit und können damit nie wirklich die eine Wahrheit haben. Sie versuchen nur von Wahrheit zu sprechen, weil sie Angst davor haben, keine Regeln zu kennen und verloren durch die Welt herum zu irren. Sie irren aber nur, weil sie den Weg nicht finden, den es durch das Erkennen einer Nicht Wahrheit gar nicht mehr geben wird.
Nietzsche liefert damit als Vorreiter den Weg zum Relativismus, zur Postmoderne und der generellen Frage des Vorhandenseins von Wahrheit. Die postmodernen Philosophen, wie beispielsweise Derrida gehen damit davon aus, dass wir eigentlich nie wirklich miteinander sprechen können, weil wir uns eben nicht wirklich verstehen. Wir sind verschlossen in unseren eigenen Welten. Damit ist ein allgemeiner und objektiver Zugang zu Wahrheit gar nicht erst möglich. Und wenn etwas nicht möglich sei, warum sollte man es dann suchen?
Pragmatische Wahrheitstheorie
Die letzte Theorie zum Thema Wahrheit, die hier angesprochen werden wird, ist die pragmatische Theorie der Wahrheit. Ihr Hauptvertreter war der amerikanische Philosoph und Psychologe William James.
Eine Vorstellung ist wahr, solange es für unser Leben nützlich ist, sie zu glauben.
William James

Foto von Willliam James
Notman Studios (photographer) – MS Am 1092 (1185), Series II, 23, Houghton Library, Harvard University
James war ein Philosoph der Moderne des 19. Jahrhunderts in Amerika. Damals war gerade die Pyschologie entstanden. Er behauptet, es gibt keine Wahrheit die allgemeingültig sei. Wichtig ist es aber, sich zu fragen: Wann wir etwas als Wahrheit verstehen wollen. Für James ist und bleibt Wahrheit subjektiv. Sie kann nicht von anderen erfasst werden, ohne dass wir auch selbst daran glauben. Das ist auch das Dilemma im unglücklichen Verliebtsein oder bei Lebensratschlägen. Wir können alle Ratschläge und alle Offensichtlichkeiten als wahr akzeptieren, solange wir aber nicht wirklich daran glauben, verlieren sie für unser Leben und damit für unser Handeln an Bedeutung. So jedenfalls James.


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